Muslime ohne Islam?

Der Vorsitzende der Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V., kurz ATIB, nimmt bezüglich der Interpretationen des Bundespräsidenten Joachim Gauck zum Islam in Deutschland wie folgt Stellung:

"Bei der Ansprache zum Amtsantritt unseres neuen Bundespräsidenten Joachim Gauck, haben wir die Betonung der Vielfältigkeit in unserem Land in seinen Worten als Muslimische Minderheit mit Freude aufgenommen. Jedoch irritiert uns die Reinterpretation der Aussage „Der Islam gehört zu Deutschland" des vorangehenden Bundespräsidenten Christian Wulff durch den jetzigen Bundespräsidenten Joachim Gauck in einem Interview mit der ZEIT. Dass der neue Bundespräsident den Aussagen seines Amtsvorgängers nicht in allem zustimmen muss, ist verständlich, dass dies jedoch zu einer Ausgrenzung des Islams und einer Umformulierung unserer Existenzberechtigung mit "Die Muslime gehören zu Deutschland" sein soll, können wir nicht verstehen.

Diese Aussagen werden, nach unseren Beobachtungen des stetig steigenden islamfeindlichen Klimas, die Anti-Islam-Propaganda anheizen. Insbesondere unter dem Aspekt, dass eine "Muslime ja, Islam nein"-Logik, dem Werteverständnis und den Realitäten der Bundesrepublik nicht entspricht.

Irritierend ist auch die Aussage unseres Bundespräsidenten, den wir als intellektuellen und freidenkenden Menschen kennen und zu schätzen gelernt haben, dass der Islam keinen Anteil am kulturellen und geschichtlichen Fundament Europas habe. Der Beitrag der Muslime am Transfer und auch der Anreicherung des antiken Gedankenguts in die Neuzeit darf auch nicht von ihm außer Acht gelassen werden.

Die Differenzierung und Selektion auf der Ebene der Religion und der Ebene der Religionsangehörigen ist weder für Muslime, noch für Christen oder Juden rational erklärbar. Aus diesem Grund nehmen wir mit Bedauern zur Kenntnis, dass wir auch nach 50 Jahren in diesem Land nicht akzeptiert werden können.

İhsan Öner
Vorsitzender der Union Türkisch-Islamischer
Kulturvereine in Europa e.V.