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Überlegungen über unsere Zukunft in Europa

Ich überlege die ganze Zeit. Ich lasse unsere letzten fünfzig Jahre in Europa Revue passieren, denke über das Hier und Jetzt nach und versuche mir aus der Vergangenheit und der Gegenwart die Zukunft vorzustellen. Ein halbes Jahrhundert und vier Generationen.... Die Menschen aus Anatolien sind das erste Mal in ihrem Leben, mit der Absicht nach ein paar Jahren wieder zurück zu kehren, aus ihren Dörfern und Städten in ein fremdes Land gegangen, dessen Sprache und Religion sie nicht kannten.

Ihnen wurde nichts mit auf dem Weg gegeben.... Sie wurden nach der Devise: “Jeder soll zusehen, wie er zurecht findet”, wie ein Fisch ins weite Ozean gelassen. Doch niemand fragte sie danach ob sie schwimmen können oder nicht. Die, die sie gerufen haben, haben sie nur als Arbeitskräfte angesehen. Ab diesem Zeitpunkt war ihr Schicksal in den Händen ihrer Arbeitgeber. Aber diesen Menschen, die sich nur über die Zeichensprache verständigen konnten, wurde ebensowenig die Sprache beigebracht. Ihnen wurde weder eine Möglichkeit zum Ausleben ihrer Kultur noch ihrer Religion angeboten. Sie haben in Arbeiterwohnheimen gelebt, Tag und Nacht in vier Schichten gearbeitet und ihre ganze Kraft für die Entwicklung und den Aufstieg ihres neuen Landes investiert.

Es war schwierig in der Fremde, ohne die Sprache zu kennen. Sie taten alles, was man ihnen sagte. Sie vermissten ihre Heimat, ihre Eltern, Freunde und Bekannte, die Kinder und die Familie. Sie arbeiteten tagtäglich mit diesem Schmerz im Herzen. Ohne den Gebetsruf, ohne Fernseher, Radio oder der Moschee war es schwierig in der Fremde. Es gab keine Lebensmittel aus der Türkei und auch die Kommunikationswege waren bei Weitem nicht so entwickelt wie heute. Auch gab es keine Streichinstrumente (Saz), die die Sehnsucht auch nur für einen Moment vergessen ließen. Der einzige Trost waren die Briefe aus der fernen Heimat, die zu der Zeit noch alle zwei Monaten mit den Grüßen der Lieben ankamen. Es vergingen Tage, Monate und Jahre. Aber die Rückkehr gestaltete sich schwierig. Auch wenn sie wollten, konnten sie nicht so leicht zurückkehren.

Die erste Genaration erwartete die türkischsprachigen Radiosendungen des WDR sowie die Fernsehsendung des ZDF, die einmal im Monat Nachrichten, Berichte und Unterhaltung bot, stets mit Spannung. Wenn man einem deutschen Kollegen eine Zigarette anbot, bekam man plötzlich einen Groschen in die Hand gedrückt. Wenn man erstaunt danach fragte, wofür dies sei, bekam man als Antwort: “Für die eine Zigarette, die ich bekommen habe”. Der Mensch aus Anatolien konnte dies überhaupt nicht verstehen. Dies war mit seinen Werten nicht zu vereinbaren, sodass er das Geld wieder seinem Kollegen zurückgab. Das selbe passierte oft, wenn man dem Arbeitskollegen etwas aus seiner Butterbrotsdose gab.

Er wurde Zeuge, wie arm und unterentwickelt die Menschen im reichen Europa in Bezug auf Freundschaft und Großzügigkeit waren. Der türkische Bürger in Europas tat stets, das, was ihm gesagt wurde. Er hielt sich an die Regeln und Gesetze in dem Land und respektierte dort auch die Lebensgewohnheiten der Mehrheit. Als er merkte, dass er nicht zurückkehren wird, holte er die übrigen Familienmitglieder zu sich nach. Weil er der Auffassung war, die eigenen Probleme, selbst zu lösen, entschied er sich dafür Orte einzurichten, in denen er seinen kulturellen und religiösen Zeremonien nachgehen konnte. Er scheute weder materielle noch immaterielle Opfer und half selbstlos.

Es kam der Tag, wo er dieses Land als seine zweite Heimat anerkannte. Eines der wichtigsten Charaktereigenschaften dieses Volkes war die Treue und Loyalität. Diese Eigenschaft ging niemals verloren. Er machte sich das Land zu eigen und liebte es. Diese Liebe und Zuneigung daurert weiter an.

Und ich überlege; fünfzig Jahre sind so vergangen....

Verdienen diese Menschen, deren Vergangenheit so unbefleckt ist, das was ihnen in der Vergangenheit und heute passiert? Man sollte diejenigen, die das Wort “Integration” nicht aus den Lippen lassen, fragen, was sie unter “Integration” verstehen.

Wenn sie sich nicht an den gesellschaftlichen Frieden, den Gesetzen und den gesellschaftlichen Werten halten, dann sind sie nicht integriert. Welcher gewissenhafte Mensch kann schon behaupten, dass diese Kriterien auf uns zutreffen? Dies trifft auf keinster Weise auf die Mehrheit unserer Gesellschaft zu.

Jeder Europäer mit einem gesunden Menschenverstand denkt in der Hinsicht ähnlich wie wir. Was ist dann der Grund in Europa, Türken, Muslime und Minderheiten teilweise negativ, destruktiv und feindlich darzustellen?

Wieso wird der Versuch unternommen, sowohl die türkische Gesellschaft als auch die Mehrheitsgesellschaft, gegeneinander aufzuwiegeln bzw. Unruhe zwischen diesen zu stiften. Welchen rationalen und gewissenhaften Grund kann es haben, dass mein Nachbar, mit dem ich seit fünzig Jahren vorzüglich auskam, mich plötzlich als Gefahr ansieht? Es ist lächerlich und zum Lachen, dass ein Gericht als letzte Rechtsinstanz in einem Rechtsstaat wie Deutschland die Beschneidung verbieten möchte. Ein Innenminister, dessen Aufgabe es ist, für die Sicherheit aller Menschen in diesem Land zu sorgen, entwickelt eine Werbekampagne, in dem er Muslime als potentielle Terroristen darstellt. Er hält stur an dieser Aktion fest, obwohl er sowohl aus Teilen der Gesamtgesellschaft als auch aus der eigenen Partei dafür kritisiert wird.

Wie kann ich als muslimischer Staatsbürger diesen Landes dem Bundesinnenminister bezüglich meiner eigenen Sicherheit noch trauen? Wie kann man einen Film oder Karrikaturen, die meine religiösen Gefühle und meine heiligen Werte beschimpfen und verunglimpfen als “Meinungsfreiheit” verkaufen? Hinter der Verunglimpfung der Werte dieser Menschen kann nicht die Meinungsfreiheit, sondern höchstens eine neue postmoderne Kreuzzugsmentalität gegenüber den Islam stehen. Trotz dieser negativen Entwicklungen gibt es dennoch viele zivilisatorische Werte, die wir Europa anvertrauen können.

Aufgrund unseres kulturellen Reichtums und der gebildeten jungen Generationen können wir diesem Land neues Selbstvertrauen und neue Möglichkeiten geben. Wir werden den Provokationen widerstehen. Wir werden mit den Menschen, die für Ruhe, Ordnung und Frieden sind, zusammen stehen. Mit diesen Menschen werden wir zusammen leben und die Basis für eine gemeinsame Zukunft gemeinsam gestalten.


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